Samstag, 19. März 2011

Heimreise

Wie ich euch schon mitgeteilt habe, bin ich nun wieder in Deutschland.

Ich habe am Dienstagmorgen erfahren, dass ich Japan verlassen muss. Die Allianz-Mission hat dies beschlossen. Schon vorher haben wir alle mit dem Gedanken gespielt, was wohl am besten wäre. Einige hatten sich bereits dafür entschieden, wieder zurück nach Deutschland zu fliegen, andere waren sich ihrer Entscheidung sehr sicher und wollten auf alle Fälle bleiben. Ich hatte für mich entschieden erst einmal in Japan zu bleiben. Das hatte sich mit der Entscheidung der AM dann allerdings erledigt.

Die Flüge wurden für alle am Dienstag gebucht und für mich hieß es Koffer packen. Keiner wusste, wann wir fliegen würden. Es hätte theoretisch noch am selben Tag sein können, also stand ich schon in den Startlöchern. Letztendlich bin ich mit Sara, Nico und Maike am Mittwochmorgen geflogen.
Unser Flug ging um 11 Uhr, wobei mir schon um halb acht los mussten, da wir 1,5 Stunden zum Flughafen fahren mussten und auch noch 2 Stunden vor Abflug da sein sollte und auch mussten. Der Flughafen war relativ voll, wobei ich nicht sagen kann, ob das alles "Flüchtlinge" waren oder nicht. Mit dem Einchecken hat aber alles super funktioniert. Ich habe 2 kg mehr mitnehmen dürfen und auch noch mein Handgepäck aufgeben dürfen. So musste ich mich auf der Rückreise nicht ganz zu Tode schleppen mit Gepäck.

Der erste Flug ging vom Nagoya Airport nach Singapur. Wir sind etwa 7 Stunden geflogen, denn Singapur liegt doch sehr weit südlich - genau genommen fast am Äquator! Der Flug selber war aber gut, denn neben Filmen konnte man auch Spiele spielen.

Um 17:20 (Ortszeit - eine Stunde vor Japan) sind wir dann in Singapur angekommen. Am Flughafen hatten wir 6 Stunden Aufenthalt. In dieser Zeit haben wir uns den Flughafen angesehen und der hatte einiges zu bieten. Es gab eine brasilianische Bühne, sehr schöne Massagesessel für die Beine, 3D-Kino, Fußball News, Orchideengärten und einiges mehr. Wir haben die Zeit also gut rumgebracht.

Um 10:55 haben wir dann eingecheckt und um 11:55 sind wir von Singapur in Richtung Frankfurt gestartet. Dieses Mal waren wir fast doppelt solange unterwegs - nämlich 14 Stunden! Wir sind über Nacht geflogen, aber richtig schlafen konnte man nicht, auch wenn man schon total müde war. Der Flug war einfach lang, anstrengend und bedrückend.

Nach dieser langen Zeit sind wir morgens um 6:10 endlich in Frankfurt gelandet. Wir waren alle froh, dass der Flug vorbei war, aber gleichzeitig ist uns auch bewusst geworden, dann wir nun wirklich wieder in Deutschland waren. Dazu kamen die ersten Eindrücke der vertrauten deutschen Kultur, die aber doch so anders schien, als man sie kannte.

Nachdem ich seit über 30 Stunden auf den Beinen war, war ich dementsprechend müde und wollte einfach nur noch unter die Dusche und dann nichts wie ab ins Bett. Die AM hatte allerdings anderes mit uns vor.

Eigentlich sollten wir von einem Mitarbeiter der AM abgeholt werden, aber als wir um 7 Uhr aus dem Gate kamen, war er nicht da. Wir mussten eine Stunde warten, was die Situation unseres Gemütszustands nicht gerade verbessert hat. Schließlich saßen wir dann samt Gepäck doch alle im Auto Richtung Dillenburg. Dort sollte direkt unser "critical incident stress debriefing" (= Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen) stattfinden.

Um 9:30 dort angekommen, haben wir die restlichen Kurzzeitmissionare getroffen. Wir sind alle an drei verschiedenen Tagen angekommen - und wir waren die letzten. Nach einem Frühstück ging es dann auch gleich los.

Was kann man sich unter einem Debriefing vorstellen? Wir haben über das Geschehene geredet, unsere Gedanken und unsere Gefühle. Wir wurden angeleitet, wie wir dieses "Trauma" am besten angehen können. Fest steht, dass wir alle eine seelische Wunde erlitten haben. Es wurde viel geredet, geweint, aber auch ab und zu gelacht. Es war eine sehr intensive Zeit, die wir zusammen hatten und mir ist dabei bewusst geworden, wie wir doch alle die gleiche Situation und die gleichen Umstände völlig unterschiedlich erlebt haben. Jeder hatte andere Sachen, die ihn beschäftigten und jeder wird mit der Situation auch anders umgehen und diese bewältigen müssen.

Gegen 17 Uhr haben wir vorzeitig abbrechen müssen, weil wir vier, die noch am selben Tag angekommen waren, nur noch in den Seilen gehangen haben. Wir wurden alle zusammen nach Ewersbach gebracht, wo die AM ihre Zentrale hat. Dort waren schon Zimmer für uns bereitgestellt. Ich habe allerdings versucht, bis 21 Uhr wach zu bleiben, damit ich mit dem Jetlag nicht allzu stark zu kämpfen hätte. Ich kann euch sagen: es war hart!!

Ja, nun bin ich wieder zurück in Deutschland. Wie ich das finde? Ich kann es selber nicht genau sagen. Für mich stand ja eigentlich fest, dass ich erst einmal in Japan bleiben will. Die Entscheidung der AM kam daher eher überraschend und ich war im Kopf überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen. Innerhalb eines Tages musste ich alle meine Sachen zusammenpacken, mit der Ungewissheit, ob ich überhaupt wieder zurück nach Japan kommen würde. Es gab keine Zeit, sich noch von irgendwelchen Leuten zu verabschieden. Es ging alles so schnell! Wir sind wirklich regelrecht aus der Kultur herausgerissen worden.

Ich glaube, dass ich mir noch gar nicht richtig bewusst darüber bin, dass ich wieder in Deutschland bin. Ich darf gar nicht daran denken, was ich in Japan noch alles vorgehabt hatte und was ich noch nicht getan habe. Einige von euch wissen vielleicht, dass mein großer Bruder mich besuchen wollte. Sein Flug wäre jetzt kommenden Montag gegangen und er hatte 4 Wochen für Japan eingeplant. Wir haben schon Pläne gehabt, was wir alles machen würde. Ich selber habe mich sehr auf den Besuch gefreut, weil ich ihm meine Arbeit, die Leute, mit denen ich zu tun habe, aber auch mein Leben in Japan selber hätte zeigen und mit ihm teilen können. Auch die Japaner haben sich schon sehr darauf gefreut ihn kennen zu lernen.

Wie es nun weitergeht, ist immer noch ungewiss. Wir werden die Situation in Japan auf jeden Fall beobachten. Ein Rückreisetermin steht bereits fest, doch ob dieser genutzt wird, hängt von der Lage ab. Ich würde sehr gerne wieder zurück nach Japan, bin mir aber nicht sicher, ob ich das kann. Ich weiß, dass es nicht mehr so sein wird wie vorher und es macht mir Angst, den Japanern wieder entgegenzutreten. Ich kann nicht sagen, was sie über meine Rückreise denken. Für mich kann ich sagen, dass es fast heuchlerisch rüber kommt, denn meine Reaktion auf die Katastrophen widerspricht sich mit dem, was ich in meinen Bible Times immer erzählt habe; dass wir auf Gott vertrauen können und dass er uns immer beisteht und beschützt. Und nun bin ich die Erste, die abhaut, wenn es schwierig wird...

Die Situation in Japan ist natürlich nicht zu unterschätzen. Das Erdbeben und der Tsunami wären an sich überhaupt nicht gefährlich gewesen. Wäre es dabei geblieben, würde ich noch in Japan sein und die Frage, ob wir Japan verlassen sollten, wäre nie aufgekommen. Die Sache mit dem AKW macht das Ganze allerdings komplizierter. Ich weiß, dass die Deutschen da ihre Meinung haben, doch ich bin hin- und hergerissen, denn ICH habe beide Seiten gesehen - sowohl das, was in den deutschen Medien gezeigt wird, aber auch die Reaktion der Japaner. Mag sein, dass die japanischen Medien Informationen zurückhalten, doch meiner Meinung nach übertreiben die deutschen Medien auch viel zu sehr.

Ihr werdet alle erleichtert darüber sein, dass ich wieder in Deutschland und "in Sicherheit" bin. Ich sehe es nicht ganz so und ich würde es sehr begrüßen, wenn meine Entscheidung und meine Meinung respektiert werden würde. Bitte habt Verständnis dafür.

2 Kommentare:

  1. yay singapur airport, da war ich auch. es ist eine oase!! da kann man locker ein paar stuendchen rumkriegen ;)
    fuer wann ist denn der rueckflug bis jetzt geplannt?
    wie siehst denn im moment aus mit den akw's? bekomme hier leider nur schwer etwas mit...
    <3

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  2. jaaa, der Flughafen war auf jeden Fall klasse ^^ wusste gar nicht mehr, dass du ja in Singapur auch einen zwischenstop eingelegt hattest =) wie lustig, dass wir beide am selben ort waren!
    wenn wir wieder zurück nach Japan fliegen sollten, dann müssen wir da wieder vorbei, nur dass wir dann ganze 9 stunden aufenthalt haben oO

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